Hi, ich bin Marie, 27 Jahre alt und studiere zurzeit im 2. Mastersemester Psychologie an der Uni Köln. Meine Einschränkungen sind eine hochgradige Sehbehinderung und eine sichtbare Körperbehinderung. Letztere stellt für mein Studium aber keine Einschränkung dar. Wenn ich nicht studiere, verbringe ich viel Zeit mit meinen Freundinnen und in meiner WG. Ich koche sehr gerne, mag Spieleabende, Wandern und Klettern.
Auch meinen Bachelor in Psychologie habe ich an der Uni Köln gemacht. Für die Bewerbungen sowohl für den Master als auch den Bachelor habe ich einen Härtefallantrag gestellt. Da die Seite, auf der man die Unterlagen hochladen muss, sehr unübersichtlich ist, habe ich mir für die Bewerbungen Hilfe organisiert. Ich habe mich beide Male an mehreren Unis beworben und trotz des Antrags auch Absagen bekommen. Für den Bachelor habe ich mich in Köln beworben, weil die Stadt nah am Wohnort meiner Familie liegt und mir von meinem Besuch die Humanwissenschaftliche Fakultät sympathisch war.
Dazu, auch den Master hier zu machen, habe ich mich entschieden, weil ich mir hier mittlerweile einen Freundeskreis aufgebaut habe und mich in Köln zu Hause fühle.
Meine Sehbehinderung hat mein Studium von Anfang an stark beeinträchtigt. Ich kann Folien während eines Seminars oder einer Vorlesung nicht lesen und auch
keine Abbildungen erkennen. Die Nutzung von Klips 2.0 und Ilias ist für mich anstrengend, da ich beide Portale unübersichtlich und nur bedingt barrierefrei finde. Auch der Zugang zu Lernunterlagen und Literatur ist beschränkt.
Im Laufe meines Studiums habe ich verschiedene Möglichkeiten entdeckt, meine Einschränkung zu kompensieren. Ich nutze Vergrößerungssoftware und eine Sprachausgabe auf meinem Laptop und meinem Handy, um mir Lerninhalte zugänglich zu machen. Falls etwas für mich nicht möglich ist, nehme ich Studienassistenzen in Anspruch, die mich dann unterstützen. Allerdings habe ich diese für höchstens ein paar Stunden in der Woche.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es weitaus sinnvoller ist, Studienassistenzen zu haben, die dasselbe studieren wie ich. Das liegt daran, dass ich besonders in komplizierten Fächern wie Statistik Hilfe benötige und Personen, die sich damit nicht auskennen, mir beispielsweise nicht dabei helfen können, Abbildungen zu verstehen. Die meiste Unterstützung benötige ich beim Lesen von nicht barrierefreien Texten, beim Verstehen von Abbildungen und der Arbeit mit Computerprogrammen wie R.
Gefunden habe ich die Assistent*innen über Aushänge am schwarzen Brett, Facebook-Gruppen und das Stellenwerk.
Es hat mir sehr geholfen, mir im Bachelor Zeit zu lassen, um verschiedene Wege auszuprobieren. Beispielsweise habe ich gelernt, dass es hilfreich sein kann, sich bei den Dozierenden und der Abteilung 23 (Servicezentrum Inklusion) Hilfe zu suchen. Am Hilfreichsten war es, Gelassenheit zu entwickeln und sich von perfektionistischen Ansprüchen zu verabschieden. Durch Corona ist es für mich einfacher geworden, Vorlesungen zu folgen, da diese jetzt aufgezeichnet hochgeladen werden. Das Besuchen von Seminaren ist dafür viel schwerer geworden. Häufig werden im Rahmen der Onlineseminare Tools verwendet, die nicht barrierefrei sind.
Meine Behinderung ist sichtbar und ich gehe damit offen um. Durch mein schlechtes Sehen ist es für mich kaum möglich, Menschen in einer größeren Gruppe
auseinanderzuhalten. Das hat das Knüpfen von Kontakten im Bachelor erschwert.
Die Uni Köln verfügt über Angebote, die mir das Studieren erleichtern. Bei Klausuren bekomme ich eine Zeitverlängerung und nicht lesbare Literatur kann
ich mir umwandeln lassen. Aber es ist eine zusätzliche Anstrengung, die ganzen nötigen Anträge zu stellen und immer wieder Dozierende um barrierefreie Materialien zu bitten.
Eine barrierefreie Hochschule stelle ich mir so vor, dass ich nicht jedes Semester alle Anträge von Neuem stellen muss. Außerdem sollte es aus meiner Sicht verpflichtend sein, dass Lerninhalte barrierefrei sind. Es würde mir auch helfen, wenn es in der Humanwissenschaftlichen Fakultät Raumnummern in Blindenschrift geben würde und die Nummerierung generell übersichtlich wäre. Aus diesen Gründen ist die Uni Köln für mich nicht barrierefrei. Ich weiß aber nicht, ob das an anderen Unis anders ist.
Barrierefrei bedeutet für mich, dass eine Behinderung keine Einschränkung darstellt. Auf ein Studium bezogen hieße das, dass der Aufwand dieses zu bestehen für eine behinderte Person im Idealfall nicht größer sein sollte, als für eine nicht-behinderte Person. Außerdem bedeutet es, dass ein offener und toleranter Umgang mit sichtbaren und nicht-sichtbaren Beeinträchtigungen herrscht.
Ich möchte zudem betonen, dass sowohl die Mitarbeitenden als auch die meisten Dozierenden sehr freundlich und hilfsbereit sind.
Mein Studium finanziere ich mir durch Bafög und mit der Unterstützung meiner Eltern. Für einige Zeit habe ich in einem Altenheim gearbeitet und dabei einer
alten Dame Gesellschaft geleistet. Nebenher arbeite ich ehrenamtlich mit Kindern.
Für die Zukunft würde ich mir übersichtliche und barrierefreie Webseiten der Uni Köln wünschen. Außerdem wäre es eine Erleichterung, wenn Anträge nicht jedes
Semester neu gestellt werden müssten. Für mich hätte es auch vieles leichter gemacht, wenn Vorlesungen aufgezeichnet und zur Verfügung gestellt worden
wären. Es wäre außerdem wichtig, dass alle relevanten Texte screenreader-freundlich zur Verfügung gestellt werden.
Bei Fragen könnt ihr mich gerne über das Kontaktformular kontaktieren.