Du hörst dir lieber etwas an oder dir fällt das Lesen schwer? Kein Problem, wir haben das Interview für dich eingesprochen:
Carina (C): Fangen wir doch erst einmal damit an, dass du dich ein bisschen vorstellst.
Kim (K): Ich bin die Kim (Name geändert), studiere Sozialwissenschaften an der Uni Köln, bin verheiratet und gerade Mama geworden. Ich habe eine Hörbeeinträchtigung und trage Hörgeräte. Als Alltagshelfer habe ich außerdem noch einen „Spezialwecker“ mit einem Vibrationskissen, das mich wecken kann. Als ich das noch nicht hatte, habe ich auch schon mal eine Prüfung verschlafen, was nicht sehr cool war. Was soll ich noch über mich erzählen?
C: Was sind deine Hobbies?
K: Also momentan viel schlafen, wegen der Kleinen, haha … nein, Scherz beiseite! Ich lese gerne Kriminalromane. Zum Beispiel die von Sebastian Fitzek. Vor der Schwangerschaft habe ich gerne Yoga gemacht und hoffe, dass ich bald wieder damit anfangen kann.
C: Und wie alt bist du?
K: Ich bin vierzig, also schon ein bisschen älter als du. Ich habe mich nochmal entschieden zu studieren, weil ich mir dachte: Warum nicht? Die Möglichkeit gibt’s ja! Und das war auch eine gute Entscheidung für mich.
C: Was hast du vor deinem Studium gemacht?
K: Vor meinem Studium war ich heilpädagogische Mitarbeiterin in Schulen oder Kindergärten. Die Arbeit mache ich übrigens auch jetzt noch neben dem Studium.
C: Und was hat dich letztendlich dazu bewogen noch zu studieren?
K: Naja, um mehr Geld verdienen zu können, ist ein Studium sinnvoll. Es ist leider so, ansonsten muss man jahrelang arbeiten, um hochzukommen und mit einem Studium geht das einfach schneller.
C: Warum hast du dich dabei für die Uni Köln entschieden?
K: Also zum einen hat die Uni Köln unheimlich viele Angebote, zum anderen wohne und arbeite ich ja in Köln und wollte für das Studium nicht extra wegziehen. Das wäre sehr umständlich gewesen.
C: Wie bist du denn im ganzen Bewerbungsprozess für dein Studium mit deiner Beeinträchtigung umgegangen?
K: Ehrlich gesagt war mir gar nicht so klar, dass ich eine Beeinträchtigung habe. Im Unterbewusstsein wusste ich schon immer, dass ich etwas schlechter höre als andere, aber es war mir nie so sehr bewusst. Vor dem Studium hatte ich zum Beispiel auch kein Hörgerät und keine technischen Hilfsmittel. Ich habe einfach ganz normal gearbeitet, wie jeder andere auch. Und wenn ich mal etwas nicht verstanden habe, dann habe ich halt nochmal nachgefragt.
C: Was andere Menschen ja auch machen.
K: Genau. Mit dem Hörgerät muss ich mich jetzt aber nicht mehr so sehr anstrengen.
C: Und wie ist deine Hörbeeinträchtigung dann letztendlich herausgekommen?
K: Bei meiner Arbeit mit Menschen mit Behinderung. Manche von ihnen können ja aufgrund von erkrankter Muskulatur nicht so gut sprechen. Die habe ich dann sehr schlecht verstanden, wohingegen meine Kollegen damit weniger Probleme hatten. Als ich mit ihnen darüber ins Gespräch gekommen bin, wurde mir geraten, doch einmal meine Ohren überprüfen zu lassen. Das hat mich zum Nachdenken gebracht, wobei ich mich erinnert habe, dass ich als kleines Kind schon die Hörbeeinträchtigung gehabt haben musste. Ich hatte in der Grundschule immer Probleme mit Diktaten. Ich wusste teilweise nicht, was die Lehrerin vorne diktiert hatte und habe dann einfach irgendetwas hingeschrieben. Dadurch hatte ich natürlich ganz viele Fehler! Als ich schließlich zum Ohrenarzt gegangen bin, hat sich das bestätigt und ich habe ein Hörgerät verordnet bekommen.
C: Und wie gehst du jetzt mit deiner Hörbeeinträchtigung um? Wie offenbarst du dich anderen oder geht es niemanden was an?
K: Ich gehe damit relativ offen um, denn ich bin so wie ich bin! Mein Gehirn funktioniert so: Wenn wir uns jetzt zum Beispiel unterhalten und es viele Hintergrundgeräusche gibt, kann mein Gehirn diese nicht so gut filtern. Sie wären dann sehr störend für mich. In so einem Moment erkläre ich meinem Gegenüber dann: „Hör zu, ich bin schwerhörig. Wenn ich öfter mal nachfrage, nicht wundern.“ Ein anderes Beispiel: Einmal hatte eine Kollegin mich gerufen, aber ich habe nicht darauf reagiert. Sie dachte dann, ich hätte sie ignoriert! Da musste ich ihr sagen, dass ich sie einfach nicht gehört hatte. Da es eine Kollegin war, die ich sehr mochte, war das in der Situation aber kein Problem.
C: Und was ist zum Beispiel mit Dozenten? Wissen die auch darüber Bescheid oder nur, wenn es unbedingt sein muss?
K: Das ist unterschiedlich. Ich hatte mal leihweise ein Gerät bekommen, das der Dozent wie eine Kette um den Hals legt und dann seine Sprache aufnimmt und direkt in mein Hörgerät überträgt. Damit bin ich natürlich zum Dozenten hin und habe ihm das erklärt. Einmal habe ich einen Dozenten darauf aufmerksam gemacht, dass ich etwas in seiner Vorlesung nicht verstanden hätte. Da hat er dann gesagt, ich solle mich einfach melden, damit man das für mich wiederholen könne. Es war auch ein sehr netter Dozent, deswegen war es für mich kein Problem. Also ich bin der Meinung, Dozenten müssten besser geschult werden, auch didaktisch, denn eigentlich sollte sich niemand outen müssen. Es ist ok, sich zu outen, aber nur, wenn derjenige das will!
C: Nimmst du denn irgendwelche Nachteilsausgleiche in Anspruch?
K: Ja. Ich habe 25% mehr Zeit, um Prüfungen zu schreiben. Denn dadurch, dass ich die Hörbehinderung seit meiner Kindheit habe, ist eine Leseschwäche entstanden, ohne dass ich das wusste. Wenn zum Beispiel Sätze doppeldeutig sind oder eine doppelte Verneinung beinhalten, muss ich sie bei Multiple-Choice Aufgaben länger lesen, um sie zu verstehen. Ich brauche einfach mehr Zeit. Bei den Prüfungen sitze ich dann in gesonderten Räumen. Dadurch, dass ich nicht mit allen anderen zusammen schreibe, gibt es keine Hintergrundgeräusche, die mich bei der Prüfung stören könnten. Ich habe sogar eine eigene Aufsicht, die dann in der Zeit, in der ich schreibe, für sich arbeitet. Das Telefon ist ausgeschaltet, ich habe also meine totale Ruhe. Das ist schon sehr angenehm.
C: Würdest du denn anderen Studierenden mit Beeinträchtigung empfehlen, an der Uni Köln zu studieren?
K: Also ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Das muss jeder für sich selber entscheiden. Es ist gemein das jetzt zu sagen, aber an sich mag ich die Uni Köln nicht. Ich glaube, im Nachhinein würde ich eher eine Uni mit mehr Praxisbezug wählen.
C: Die TH Köln zum Beispiel?
K: Genau, für mich wäre die TH vielleicht die bessere Option gewesen. Aber das ist wie gesagt eine Typsache, ob man eher praktisch veranlagt ist oder nicht. Und das hat auch nichts mit der Beeinträchtigung zu tun.
C: Wie empfindest du denn die Angebote für Studierende mit Beeinträchtigung, die es an der Uni Köln bisher gibt?
K: Ich finde, es wird besser. Allein, dass es inzwischen diese Beratungsfunktionen gibt, und dass man überhaupt einen Nachteilsausgleich beantragen kann. Außerdem gibt es bereits technisches Equipment, zum Beispiel einen Drucker, der Blindenschrift druckt. Und das Ding macht einen Lärm, das glaubst du gar nicht!
C: Ja, so einen habe ich auch Zuhause stehen. Dieses Monster, haha.
K: Ich finde gut, dass es sowas gibt. Ebenso wie Vergrößerungsgeräte für die Bildschirme. Für Rollifahrer gibt es Tische, die man elektrisch hoch und runter fahren kann, was ja auch praktisch für alle anderen Studierenden ist. Aber es gibt nur zwei Räume mit fünf dieser Plätze. Mir kann keiner erzählen, dass an der ganzen Uni nur fünf Personen mit Beeinträchtigungen sind!
C: Welche Veränderungen wünschst du dir an der Uni Köln?
K: Die Humanwissenschaftliche Fakultät, die ja in einem sehr alten Gebäude untergebracht ist, ist für Rollifahrer nicht komplett barrierefrei. Das Hauptgebäude auch nicht. Das heißt, wenn ein Rollifahrer an einer Veranstaltung teilnehmen möchte, zu der aber der Zugang zum Raum mehrere Stufen hat, kann er entweder gar nicht teilnehmen, oder alles muss total umorganisiert werden. Zum Beispiel müsste dann ein Raum gefunden werden, der barrierefrei ist. Den Aufwand, den man da betreiben müsste, fände ich auch richtig – nur warum muss man das überhaupt? Was ich auch sehr schade an der Uni Köln finde, ist, dass es keine Teilzeitstudiengänge gibt. Das ist natürlich etwas, was für Menschen mit Beeinträchtigung hilfreich wäre.
C: Kann man sich seinen Stundenplan nicht so erstellen, dass er quasi Teilzeit ist?
K: Ja, natürlich! Aber weil es ja kein Teilzeitstudium ist, kommst du dann über die Regelstudienzeit. Statt sechs Semester im Bachelor brauchst du auf einmal zwölf. Da fragen dich deine Arbeitgeber später: „Warum hat die denn zwölf Semester studiert?“
C: Was würdest du dir denn neben Teilzeitstudiengängen noch von der Uni Köln oder Universitäten allgemein an Veränderungen wünschen?
K: Was für mich mit einer Hörbeeinträchtigung schwierig ist, sind ganz große Vorlesungen in großen Hörsälen. Diese sind ja so gebaut, dass die Akustik nach unten geht, aber eben nicht zur Seite oder nach hinten. Manche, vor allem die älteren Professoren, können mit den Mikrofonen nicht richtig umgehen und fangen dann einfach an zu reden. Wenn dann zwar vom Dozenten Fragen ins Handmikrofon gestellt werden, verstehe ich dann aber nicht die Antworten der Kommilitonen. Die Dozenten haben scheinbar nicht gelernt, das Gesagte dann nochmal ins Mikrofon zu wiederholen. Ich glaube, dass es dann selbst für die nicht-hörbeeinträchtigten Studenten schwierig ist, das zu verstehen, aber für sie ist das einfacher als für mich. Oder wenn ich sehe wie veraltet diese Lautsprecherboxen teilweise sind und wofür die Uni im Gegensatz dazu ihr Geld verschwendet! Dabei gibt es inzwischen Lautsprecherboxen, die das Gesagte in jede Ecke des Hörsaals gleich laut übertragen könnten.
C: Konkret heißt das?
K: Naja, mehr in technisches Equipment investieren, zum Beispiel in FM-Anlagen. Das sind diese Mikrofone, die das, was der Dozent sagt, direkt in Hörgeräte übertragen. Studierende sollten sich diese Geräte ausleihen oder für ein Semester anmieten können – natürlich unentgeltlich! Meiner Meinung nach sollte man also in solche Dinge Geld investieren, damit die Uni allgemein inklusiver wird. Denn dann hätte man auch die Wahl, sich bzw. seine Beeinträchtigung zu outen oder nicht.
C: Findest du, dass es noch Vernetzungsmöglichkeiten unter Studierenden mit Beeinträchtigung geben sollte? Oder gibt es bereits genug?
K: Genug gibt es nicht, es sollte mehr geben. Und der Zugang dazu sollte leichter gemacht werden.
C: Wie könntest du dir das vorstellen?
K: Man sollte in Schulen, vor allen in Regelschulen, gehen und die Jugendlichen über Beratungsangebote an den Unis aufklären. Da sollte dann geklärt werden, wie es überhaupt machbar ist, mit Beeinträchtigung zu studieren.
C: Gibt es denn sonst noch etwas, was du anderen Studierenden mit auf den Weg geben oder einfach noch loswerden möchtest?
K: Tut das, was ihr wollt. Holt euch die Unterstützung, die ihr braucht und habt ein gesundes Selbstwertgefühl dabei. Setzt euch durch, wenn ihr genau wisst, dass es euer Recht ist! Es ist einfach so, dass Menschen mit Beeinträchtigung mehr kämpfen müssen – aber es lohnt sich.