Dir fällt das Lesen schwer oder du hörst dir lieber was an? Kein Problem, Carina hat ihren Text für dich eingesprochen:

Hallo, ich bin Carina, bin 24 Jahre alt und von Geburt an vollblind. In meiner Freizeit lese ich gerne, entspanne mich bei spannenden Hörspielen und Hörbüchern und verbringe viel Zeit mit Freunden, meiner Familie und meinem Blindenführhund. Außerdem betreibe ich einen Blog und arbeite in einer jungen Radioredaktion mit.

Seit März 2017 studiere ich Online-Redakteur an der TH Köln. Von meinen Erfahrungen als blinde Studentin möchte ich dir heute erzählen.

Mein Weg zum Studium

Bereits während meiner Schulzeit an einer Blindenschule war mir klar, dass ich etwas mit Medien machen möchte. Nur was genau, das wusste ich damals noch nicht. Deshalb erkundigte ich mich, welche journalistischen Studiengänge es in meiner Nähe so gibt. Schnell fand ich heraus: Es sind nicht viele.

Letztendlich entschied ich mich dann für den Studiengang Online-Redakteur (heute Online-Redaktion). Ich dachte mir: „Wenn der Schwerpunkt auf online liegt, wird da bestimmt vieles barrierefrei sein.“

Um mich näher über das Studium mit Beeinträchtigung an der TH Köln zu informieren, nahm ich dann Kontakt zur Beauftragten für Studierende mit Beeinträchtigung auf und wir vereinbarten einen Besuchstermin. Sie vermittelte mir dann den Kontakt zur Beauftragten für Studieninteressierte des Studiengangs, mit der ich ein langes, sehr gutes Telefongespräch führte.

Um herauszufinden, ob Online-Redakteur wirklich zu mir passt, habe ich im November 2016 ein zweitägiges Schnupperstudium gemacht. An diesen beiden Tagen nahmen mich zwei Studentinnen mit zu ihren Lehrveranstaltungen und zeigten mir die Bibliothek, die Mensa und viele andere Orte. Bereits während dieser beiden Tage war mir klar, dass ich den richtigen Studiengang für mich gefunden hatte.

Die Lehrenden waren nämlich schon während des Schnupperstudiums bereit, sich auf mich und meine besonderen Bedürfnisse einzustellen. Die beiden Studentinnen erzählten mir zum Beispiel, dass eine Dozentin extra mehr erzählt hätte als sonst, damit ich auch besser folgen konnte. Eine andere Dozentin mailte mir sogar die Folien zu. Die konnte ich aber leider nicht nutzen, weil ich blöderweise keinen Laptop dabei hatte.

Da ich einen ziemlich guten Abischnitt hatte, musste ich auch keinen Härtefallantrag stellen, um einen Studienplatz zu bekommen. Und dann ging es los, das Abenteuer Studium.

Hilfsmittel und Assistenz – Was mir im Studium hilft

Damit ich mein Studium erfolgreich meistern kann, bin ich auf technische Hilfsmittel und Studienassistenz angewiesen.

Auf meinem Laptop ist zum Beispiel eine Sprachausgabe installiert, die mir den Text vorliest, der auf dem Bildschirm steht. Außerdem liest sie die Buchstaben vor, die ich auf der Tastatur tippe. Das hilft mir dabei, in Vorlesungen mitschreiben zu können oder auch Referate und Klausuren vorzubereiten.
Weiterhin nutze ich eine sogenannte Braillezeile. Das ist ein längliches Gerät, dass ich mit dem Laptop koppeln kann. Darauf wird dann der Bildschirmtext in Blindenschrift angezeigt. Bilder kann sie jedoch nicht darstellen.

Leider gibt es viele Bücher, die ich zum Beispiel für Hausarbeiten oder meine Bachelorarbeit benötige, nicht in digitaler Form. Deshalb habe ich einen Scanner und eine spezielle Software. Wenn ich also ein Buch scanne, dann wird der Text bzw. das Foto, das der Scanner erstellt, von dieser Software in Text umgewandelt, den ich mir dann vorlesen lassen kann.

Ein Brailleschriftdrucker für Blinde steht in einem Schallschluckschrank.
Nicht alle blinden Studierenden haben einen Brailledrucker zu Hause wie Carina. Deshalb stellt die Uni Köln ihren Studierenden einen zur Verfügung. Foto: privat

Damit ich mir meine Lernmaterialien für die Klausuren auch mitnehmen kann oder meine Stichpunkte für ein Referat nicht vom Laptop ablesen muss, habe ich einen Blindenschriftdrucker. Mit dem kann ich dann meine Texte auch in Braille ausdrucken und so auch auf der Couch, im Garten oder im Zug lernen. Genau wie du.

Aber nicht nur die Technik erleichtert mir das Studium. Ein weiteres wichtiges „Hilfsmittel“ ist mein Blindenführhund Pitou. Er kennt den Weg zur Uni ganz genau, weiß, in welchen Räumen wir meistens Lehrveranstaltungen haben und ist im Unialltag immer an meiner Seite.

Auch immer an meiner Seite sind meine Studienassistent*innen. Sie übernehmen viele Aufgaben, die Pitou und die Technik nicht oder nur schlecht für mich übernehmen können. So sind sie dafür zuständig, Folien und Skripte der Dozierenden für mich zugänglich zu machen. Das bedeutet, dass sie die Folien, die wir vorher von den Lehrenden bekommen haben, in ein Word-Dokument umwandeln und ggf. Abbildungen, Tabellen und Diagramme für mich beschreiben.

Außerdem begleiten sie mich zu Terminen, in die Mensa oder in die Bibliothek. Wenn ich während der Veranstaltungen mal Hilfe brauche, sind sie zur Stelle und erklären mir flüsternd, was da gerade vor sich geht. Auch unterstützen sie mich dabei, Bücher einzuscannen, PowerPoint-Präsentationen zu erstellen oder meine Hausarbeiten richtig zu formatieren.

Manchmal gibt es aber auch Fächer, bei denen ich wegen meiner Blindheit nicht schnell genug mitkomme, weil ich mehr Zeit brauche als meine sehenden Kommiliton*innen. Dann helfen sie mir dabei, den Lernstoff nachzubereiten. Das machen sie, indem sie mir die Inhalte nochmal in Ruhe erklären und mit mir durchgehen.
Da wir oft viel Zeit zusammen verbringen und sehr eng und intensiv zusammenarbeiten, sind aus all meinen Assistent*innen, die ich habe und hatte, früher oder später Freund*innen geworden.

Wie finde ich meine Studienassistenzen?

Die richtigen Leute für den Job zu finden, ist nicht so einfach, wie du dir bestimmt denken kannst. Meine Leute habe ich durch Anzeigen bei Facebook oder dem „Stellenwerk“ gefunden. Ein paar auch durch Mund-zu-Mund-Propaganda und durch Zettel, die ich bei der Einschreibung verteilen lassen habe. So habe ich erreicht, dass auch einige Kommiliton*innen meine Studienassistenzen wurden.

So gehe ich mit meiner Behinderung im Studium um

Für mich persönlich ist es ganz normal, offen mit meiner Behinderung umzugehen. Das erleichtert nämlich vieles. Wenn du offen auf deine Lehrenden zugehst und ihnen sagst, was du brauchst, dann können sie dir helfen. Das geht nicht, wenn du still in der Ecke sitzt und den Mund hältst.

Deshalb habe ich von Anfang an offen über meine Behinderung und meine Bedürfnisse gesprochen. Zum Beispiel habe ich zu Semesterbeginn allen neuen Lehrenden eine Mail geschrieben, in der ich sie darüber informiert habe, dass ich blind bin und was sie konkret tun können, um mir den Studienalltag zu erleichtern.

In meinem Fall bedeutet das vor allem, dass mir die Dozenten ihre Folien ein paar Tage vor den Veranstaltungen zukommen lassen, damit sie von meinen Assistent*innen umgewandelt werden können.
Außerdem habe ich mich immer für ein persönliches Gespräch angeboten. Das wurde auch gern angenommen. In diesen Gesprächen ging es dann zum Beispiel um Nachteilsausgleiche bei Prüfungen oder meine Möglichkeiten, in grafischen Fächern wie Webdesign mitzuarbeiten.

Auch meinen Mitstudierenden gegenüber war ich immer offen. Gerne habe ich ihre Fragen beantwortet oder ihnen erklärt, warum ich länger als sie an meiner Prüfung arbeiten durfte. Neid oder so gab es da zum Glück nie.
Mittlerweile finde ich immer jemanden zum Quatschen und austauschen. Das war aber nicht immer so. Gerade am Anfang fiel es vielen Studierenden schwer, mit mir ins Gespräch zu kommen. Das lag vor allem daran, dass viele Berührungsängste hatten. „Die gucken dich an wie einen Alien“, hat mal eine meiner Assistentinnen zu mir gesagt. Interesse an meiner Person und dem, was ich so mache, gab es aber von Anfang an. Nur wurde nicht ich gefragt, sondern meine Begleiterinnen. Die reagierten aber ganz cool: „Frag doch einfach Carina selbst“. Mit der Zeit legte sich aber die Unsicherheit meiner Kommiliton*innen mir gegenüber und es entstanden immer mehr nette und gute Gespräche.

Barrierefreiheit und Angebote der TH Köln

Die TH Köln an sich ist für mich barrierefrei. Die Aufzüge an meinem Standort verfügen alle über taktile Knöpfe mit tastbaren Symbolen darauf. Außerdem sagt eine Sprachausgabe an, auf welcher Ebene ich mich gerade befinde. Beschriftungen in Blindenschrift gibt es nicht, deshalb habe ich an manchen Räumen – natürlich nach vorheriger Absprache – selbst Beschriftungen angebracht. Auch ein Leitsystem gibt es nicht. Für Assistenzhundhalter gut zu wissen: Gerade in der Südstadt ist es nicht weit vom Hörsaal in den nächsten Park.

An der TH Köln gibt es vielfältige Beratungs- und Unterstützungsangebote. Immer wieder habe ich mich zum Beispiel durch unsere Beauftragte für Studierende mit Beeinträchtigung beraten lassen. Bei unseren Gesprächen ging es unter anderem um Assistenz, BaFöG oder auch um Nachteilsausgleiche. Außerdem habe ich das Seminar „So bekomme ich meinen Traumjob“ besucht, bei dem es darum geht, auf die Jobsuche vorbereitet zu werden. Das Seminar hat mir sehr geholfen und ich empfehle es jedem weiter.

Seit dem Wintersemester 2019/2020 gibt es auch das Mentoring-Programm „Best Tandem“ an der TH Köln. Bei diesem Programm unterstützen erfahrene Studierende mit Beeinträchtigung (Mentor*innen) Studienanfänger mit Beeinträchtigung (Mentees) beim Studienstart.

Dieses tolle Programm habe ich als Mentorin unterstützt. Leider gab es das Programm noch nicht, als ich mit meinem Studium begonnen habe. Ich hätte mich bestimmt sehr darüber gefreut, wenn ich auch jemanden an meiner Seite gehabt hätte, den ich mit Fragen löchern oder mit dem ich meine Erfahrungen teilen kann.

Kontakt

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